Klamotten glattstreichen, Brille zurechtrücken und Unterlagen ordnen. Ein kurzer Blick zu den Gästen, dann kann die Lesung losgehen. Ich setzte an: „Guten Abend, hola, buenas tardes……“ und schon kommt aus dem Publikum ein laut vernehmliches „Pfffffffffffff“ …..
Gut, dass das jetzt nicht die Premierenlesung ist, die in ein paar Stunden über die Bühne gehen soll, sondern nur die Generalprobe. Und mein einziger Zuhörer ist meine Frau am Bügelbrett.
Ich war schon auf vielen Lesungen, aber ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie viel Arbeit dahintersteckt. Bisher dachte ich darüber in etwa so: Da kommt irgendein Typ und liest halt ein paar Passagen aus seinem Buch vor, zwischendurch erzählt er launige Anekdoten. Kein Problem für mich, so glaubte ich, schließlich habe ich das Vorlesen jahrelang allabendlich mit meinem Sohn zelebriert. Aber sind wir mal ehrlich: Das einzige Ziel der abendlichen Kinderbuchlesungen ist es doch, den Nachwuchs so schnell wie möglich zum Einschlafen zu bringen.
Und genau das ist der Punkt. Die Vorstellung, dass ich aus meinem doch hoffentlich spannenden Krimi vorlese, am Ende sanft das Buch zuschlage und an meinen schlafenden Zuschauern vorbei aus dem Saal schleiche hat dann doch etwas von einem Alptraum oder von Satire – wahrscheinlich ein bisschen von beidem.
Und so sitze ich nun seit Wochen über dem Konzept für meine Lesung und versuche genau die Kapitel herauszusuchen, die die Zuhörer mit auf eine unterhaltsame Reise durch meinen Roman nehmen – aber ohne dabei zu viel zu verraten. Das ist ein weiterer Unterschied zum Vorlesen für Kinder: Das Ende darf auf keinen Fall zu offensichtlich sein.
Um zu sehen ob das, was ich mir ausgedacht habe auch in der Realität funktioniert lese ich nun also vor meinem persönlichsten und meist ersten Kritiker, meiner Frau und dem Dampfbügeleisen die komplette Lesung zum ersten Mal in einem Rutsch durch.
Sie steht mir dabei gegenüber und bügelt in aller Ruhe weiter. Und nicht nur das: Während meines gesamten Vortrags wuselt sie um mich herum, räumt die Wintersachen in die hinterste Ecke des Schrankes und die Sommersachen nach vorne und verlässt gelegentlich sogar einfach mit einem „Ich hör Dir zu“ den Raum. Störungen bringen mich schon mal nicht aus dem Konzept, das ist sicher.
Wer nun aber glaubt, dass sie dabei nicht bei der Sache wäre, der irrt gewaltig. Ich weiß es bedient ein Klischee, aber meine Frau ist die Meisterin des Multitaskings. Und so bekomme ich noch während ich lese immer wieder kurze Anmerkungen zugeworfen und am Ende eine ausführliche Kritik mit vielen Anregungen.
Ganz schlecht scheine ich mich jedenfalls nicht geschlagen zu haben, immerhin hat sie das Konzept nicht gleich in der Luft zerrissen, was so kurz vor der Premierenlesung dann doch etwas lästig gewesen wäre. Sie können mir glauben – selbst fünf Minuten vor der Premiere würde sie mir ihre ungeschminkte Meinung sagen, wenn etwas in ihren Augen unstimmig wäre und das ist auch gut so.
Ach so, auch dem Dampfbügeleisen sei sein etwas abfällig wirkendes „Pffffff“ schlussendlich verziehen – es kann sich ja nicht anders ausdrücken.
Wenn Sie liebe Leser nun wissen wollen wie sich meine Lesung im Ernstfall anhört, dann können Sie ja mal einen Blick in meinen Terminkalender werfen. Vielleicht findet sich ja eine Veranstaltung in Ihrer Nähe – ganz ohne Bügelbrett, versprochen. Wobei es Ihnen natürlich freisteht Ihres mitzubringen – meine Frau stellt auch gerne die Wäsche.
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