Reale Orte, die die Leser auch wiederfinden können, geben einem Buch erst die richtige Atmosphäre. Deshalb fahre ich regelmäßig nach Mallorca, besuche beispielswiese Restaurants oder treibe mich an den seltsamsten Orten herum, um sie anschließend im Roman möglichst genau beschreiben zu können. Dieses Mal allerdings musste ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass ein wichtiger Schauplatz schlicht dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Gegenüber der Jefatura Superior de Policía Nacional in der Calle Simó Ballester in Palma liegt in „Mallorca bis in alle Ewigkeit“ die Bar Bocadillos. Ein Ort, an dem Pau Ribera immer wieder seine Pausen mit oder ohne seine Kollegen verbringt, Ermittlungsergebnisse bespricht oder sich auch mal nur dorthin zurückzieht um schlicht etwas zu essen.
Während der Recherche zu dem Krimi war ich selbst dort, habe ein paar Bocadillos verdrückt und das Kommen und gehen in der Bar beobachtet. Pau saß dabei in meiner Vorstellung neben mir, am Nachbartisch, am Tresen. Unterhielt sich mit den Angestellten, trank seinen Café con Leche, futterte sich durch die Speisekarte. Nirgendwo kommt man seinen Charakteren so nah, wie an den Orten, an denen sie sich täglich aufhalten. Es ist als würde man in zwei Welten leben – hier die Realität mit den echten Polizisten, die ein und ausgehen, und da dieser Mensch, der einen Tag für Tag begleitet und von dem man sich immer mehr wundert, dass er eben nicht irgendwann einfach die Tür aufmacht und im Raum steht. Gerade an solchen Orten kommen die Protagonisten eines Romans dem Schreibenden realer vor als man sich das vorstellen kann.
Umso entsetzter war ich, als ich vor ein paar Tagen an der Jefatura vorbeikam. Dort wo noch vor einigen Monaten die Bar Bocadillos war ist heute – nichts bzw. eine riesige Baugrube. Das gesamte Gebäude wurde abgerissen, und vom offensichtlich geplanten Neubau ist noch nicht viel zu sehen.
Etwas desorientiert schaute ich mich um, um schließlich sogar einen Polizisten anzusprechen, der mir natürlich auch nicht sagen konnte, ob es irgendwann wieder ein Bocadillos geben würde. Ich hoffe, ich habe den armen Mann nicht allzu sehr mit meiner Frage verwirrt, denn zu den klassischen Touristendestinationen gehörte die Bar nun wirklich nicht. Aber ich vermute, Polizisten auf Mallorca sind von Urlaubern weit seltsamere Dinge gewöhnt als die Frage nach abgerissenen Gebäuden.
In meinem Kopf jedenfalls fingen die Gedanken an zu rotieren. Ich bin nun einmal auch Journalist und wahrscheinlich schon daher bemüht, die Wirklichkeit abzubilden. Natürlich hätte ich das in meinem – ja, Trommelwirbel, ich plane eine Fortsetzung und recherchiere auch bereits dafür – nächsten Roman auch einfach dabei belassen können, aber irgendetwas in mir wehrte sich dagegen. Also machte ich mich am nächsten Tag auf die Suche nach einem neuen Schauplatz und klapperte die Straßen rund um die Jefatura ab. Einer Seitenstraße fiel mir zunächst die wirklich hübsche kleine Alma Bar ins Auge, gemütlicher und schöner als das eher nüchterne Bocadillos.
Schräg gegenüber der Jefatura fand ich schließlich auch noch La Tapita, das dem alten Schauplatz wesentlich näher kam. Es musste also eine Entscheidung her.
Ich setzte mich daher zunächst einmal im La Tapita an einen Tisch und bestellte einen Café. Und während ich so etwas versonnen und in Überlegungen vertieft in meinem Getränk rührte passierte das, was man sich als Autor nur wünschen kann; Die Tür ging auf, vier Polizisten kamen herein und setzten sich in einer Ecke an die Theke. Ich beobachte, wie sie mit den Angestellten scherzten, sich unterhielten, ihre Smartphones checkten. Ganz normale Kollegen unter sich eben.
Ein Besuch in der Alma Bar hatte sich damit erübrigt, auch wenn ich dort mit Sicherheit noch einmal hineinschauen werde, alleine schon, weil sie mir so gut gefällt, wenn auch nicht als Schauplatz. Entzückt über diesen glücklichen Zufall trank ich gemütlich meinen Kaffee zu Ende. Wieder ein Puzzlesteinchen, das den nächsten Roman näher an die Wirklichkeit bringen wird.
Und natürlich wunderte mich einmal mehr darüber, wo eigentlich Pau Ribera bleibt….
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