Es gibt Momente, die bleiben in Erinnerung. Dazu gehört die Lesung in Es Castellot im September 2019 mit Sicherheit. Nicht nur, dass die Residenz in Santa Ponsa, natürlich in verfremdeter Form, einer der Schlüsselschauplätze von „Mallorca bis in alle Ewigkeit“ ist: Im Publikum ist auch eine ältere Dame, ohne deren Mithilfe der Roman wohl ein ganz anderer geworden wäre.
Es ist schon ein seltsames Gefühl, nach drei Jahren wieder vor diesem Tor zu stehen. Dieses Mal habe ich keinen Kuchen in der Hand, sondern trage eine Kiste mit Büchern. Beim letzten Mal, als ich dieses grüne Metalltor sah, wusste ich nicht wer mich erwarten würde. Der Kontakt zu der älteren Dame, die ich besuchen wollte, war durch Zufall und über deren Schwiegertochter zustandegekommen, die ich wiederum über meinen Spanischkurs in Bad Homburg kennengelernt hatte. Die Wege waren also schon bis zu diesem Punkt ziemlich verschlungen.
Fast noch schwieriger wurde es dann, auf dem schönen, weitläufigen Gelände der Residenz das Appartement zu finden, das ich suchte. Nach einigem Herumirren stand ich schließlich vor der Tür von Irmgard Rincke, einer sehr rüstigen damals 88-Jährigen, die mir fröhlich öffnete. Es wurde ein sehr schöner, entspannter Nachmittag auf dem Balkon ihrer kleinen Wohnung mit traumhafter Aussicht auf die Berge des Tramuntana-Gebirges, der mir viele Einblicke in das Leben in einer Seniorenresidenz brachte. Es ging um ganz alltägliche Dinge, wir haben viel gelacht, und am Ende des Tages war die nebulöse Vorstellung meines Hauptschauplatzes einem klaren Bild gewichen.
Mord und Totschlag habe ich natürlich später noch hinzugedichtet, aber ohne Irmgard Rincke hätte ich mir auch den Alltag in einem Altenheim auf Mallorca zusammenreimen müssen, etwas, das mir als Journalist irgendwie gegen den Strich geht.
Und jetzt stehe ich eben drei Jahre später wieder vor dem Metalltor. In der Kiste und in den Tüten zu meinen Füßen sind 40 meiner Bücher, und ich freue mich wie ein Schneekönig darauf, eines dieser Exemplare direkt an die gute Frau Rincke übergeben zu können.
Bei der Lesung sitzt sie in der ersten Reihe und ist sichtlich gerührt, als ich mich bei ihr noch einmal in aller Öffentlichkeit bedanke. Natürlich gebe ich ihr auch eine sehr persönliche Widmung und wir machen ein Erinnerungsfoto.
In der Pause trifft sie am Büchertisch dann auf meine Frau Yvonne und beschert auch ihr einen unvergesslichen Augenblick. Bisher hatte sie nämlich noch gar nicht gewusst, dass ich sie in den Danksagungen am Ende des Buches an erster Stelle erwähnt hatte. Und als Yvonne ihr die Textstelle vorliest, bekommt sie nicht nur eine herzliche Umarmung.
Als ich am Ende des Tages bei einem Wermut und einem Myotragus balearicus (dem Lieblingsscocktail meiner Frau) mit Yvonne im Atlantico sitze, zählen für uns beide keine Buchverkäufe, keine Zuschauerzahlen und keine Nachbesprechung.
Wir reden nur über diese unglaublich herzliche inzwischen 91-Jährige, aber nach wie vor sehr fitte Dame, die diesen Tag unvergesslich gemacht hat. Daher auch an dieser Stelle noch einmal Danke, liebe Irmgard Rincke…
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