Ich dachte ja immer, dass ich leide, wenn ich Mallorca verlassen muss. Aber gegen das was meine Frau durchmacht und deswegen anstellt, bin ich wirklich ein Waisenknabe.

Unsere letzte Recherchereisen nach Mallorca ist jetzt drei Wochen her – zwei für meine Frau, da sie sich geweigert hat nach einer Woche mit mir nach Hause zu fliegen. Nach einer weiteren Woche durfte ich sie dann aber doch am Flughafen abholen, braungebrannt, aber mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Ich kenne das, denn sie hängt nicht nur an der Insel, sondern hat auch Freunde dort, die sie wirklich schmerzlich vermisst.
Eckart von Hirschhausen hat dazu einmal das perfekte Bild geliefert: In Deutschland ist sie wie ein Pinguin an Land – aber kaum ist sie auf Mallorca, springt der Pinguin ins Wasser und dann gibt es kein Halten mehr.
Als ich sie nun am Flughafen abholte sah ich in diese traurigen Augen und es reichte ein Satz um das Ausmaß ihrer Verzweiflung klarzumachen: „Für Tiere gibt es sowas wie artgerechte Haltung, warum für mich nicht?“ Der Pinguin war wieder an Land angekommen und watschelte unbeholfen zum Auto, um sich zuhause erst einmal die Decke über den Kopf zu ziehen.
Es dauert immer ein paar Tage, bis sie sich einigermaßen in Deutschland eingelebt hat. Dann aber schafft sie sich so eine Art Planschbecken, in dem sie ihren Pinguin schwimmen lassen kann.
Dieses Mal fing es mit einer wilden Mischung aus Blättern und Blüten an, die verdächtig nach Anis roch. Hinzu kamen Töpfe mit Küchenkräutern, die sich bei jedem Einkauf zu vermehren schienen.
„Das wird mein eigener Hierbas“, erklärte sie mir und als ein paar Tage später eine Menge an „Anis sec“ und „Anis dulce“ hier ankam, die für eine mehr als veritable Alkoholvergiftung gereicht hätte, wusste ich, dass sie es ernst meinte. Es wurden schöne Flaschen besorgt, die Kräuter sorgsam aufgeteilt und in Alkohol ertränkt.

Jetzt stehen diese Flaschen bei ihr im Büro und ich erwischen sie gelegentlich, dass sie versonnen daran schnuppert. Trinken darf sie ihren Hierbas ja noch nicht, die Reifezeit beträgt zwischen drei Monaten und einem Jahr. An Weihnachten ist es soweit, dann darf ich mit etwas Glück auch mal etwas probieren. Ich vermute, es wird eher eine heitere als eine heilige Nacht.

Eine ganz neue Variante folgte dann aber ein paar Tage später. Wieder kam ein Paket mit Alkohol an, aber was Sloe Gin nun mit Mallorca zu tun haben sollte, war mir zunächst nicht so ganz klar.
Bis ich eines Abends plötzlich einen Cocktail serviert bekam.
„Ich hab es fast“, sagte sie mit leicht verwaschener Stimme. Offenbar hatte sie bereits mehrere Versuche diesen Cocktail zu mixen hinter sich gebracht.
„Ich präsentiere: der Fast-Myotragus-balearicus“! Noch so eine Sache die ihr hier in Deutschland fehlt. Also ich meine nicht den Cocktail, sondern ihre Lieblingsbar, das Atlantico, in dem auch Pau Ribera und Pep Bosch in meinem Roman den ein oder anderen Absturz erleben.

Der Myotragus balearicus ist ihr Lieblingsgetränk, ein Cocktail, benannt nach einer ausgestorbenen Höhlenziege, die es nur auf den Balearen gab. Diese Mischung gibt es wirklich nur dort, und sie verlässt die Bar nicht, ohne einen getrunken zu haben. Beim letzten Mal hat sie nun die Karte fotografiert. Nun ist es aber natürlich so, dass dort nicht das Rezept, sondern eben nur die Zutaten stehen. Also hat sie so lange herumprobiert, bis sie eine ungefähr passende Mischung zusammen hatte. Was den leicht glasigen Blick und die undeutliche Aussprache erklärte. Mehr als einen sollte man davon nämlich nur trinken, wenn man am nächsten Tag frei hat.
Seitdem finden sich in unserem Kühlschrank kleinste Mengen verschiedener Ingredienzien in winzigen Plastikdöschen, genau abgemessen, um den ungefähren Geschmack des Cocktails zu imitieren. „Ich mach dann Musik an und die Augen zu und bin im Atlantico“. Ein weiterer Eimer Wasser für meinen heimwehgeplagten Pinguin.
Die zusätzlichen Kalorien verbraucht sie neuerdings übrigens nicht mehr im Fitnessstudio, sondern bei uns im Garten. Dort steht nämlich seit gestern eine „Diana“. Das ist eine Zielscheibe, wie sie die mallorquinischen Steinschleuderer benutzen – selbstgebaut natürlich.

Eine Schleuder hat mir vor kurzem ein befreundeter Hondero geschenkt, allerdings habe ich sie seitdem so gut wie nicht mehr gesehen. Meine Frau trainiert mit ihr und hat es innerhalb von zwei Wochen zu einer erstaunlichen Zielgenauigkeit gebracht, nur dass sie keine Steine benutzt, sondern Tennisbälle, um nicht aus Versehen den ein oder anderen Nachbarn ernsthaft zu verletzen.

Heute hat sie mich jedenfalls nach Punkten um Längen geschlagen…. Wie wir überhaupt zu den Honderos gekommen sind ist eine andere, spannenden Geschichte, dazu später mehr.
Ich könnte hier jedenfalls noch jede Menge Beispiele aufzählen. Quelys (mallorquinische Ölkekse, die niemals, wirklich niemals ausgehen dürfen), kiloweise Grimaltkäse, selbstgemachtes Frit Mallorquin, das wirklich weltbeste Tumbet und so weiter. Selbst vor Ensaimada macht sie nicht halt, auch wenn sie da den Dreh noch nicht wirklich heraushat.
Mallorca ist immer irgendwie bei uns.
Wenn ich übrigens mal Krustenbraten mit Sauerkraut und Kartoffelbrei essen möchte, buche ich am besten ein Flugticket.
Den macht sie nämlich nur auf Mallorca …
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