Die Recherchen für einen Mallorca Krimi führen mich gelegentlich an recht unappetitliche Orte. Eine Bar in Son Gotleu, Palmas Elendsviertel oder eine Gefängnisruine, die heute von Obdachlosen bewohnt wird. Meine Bücher sind ja schließlich Krimis und keine Urlaubs-Lovestory mit Bilderbuchsonnenuntergängen und endlosen Sandstränden. Dass ich aber jemals nur hinter vorgehaltener Hand sagen würde, dass ich überhaupt nach Malllorca fliege, hätte ich mir in den kühnsten Träumen nicht ausgemalen können.
Als ich im September 2020 in das Flugzeug nach Palma stieg, hatte ich fast ein schlechtes Gewissen – immerhin galt ganz Spanien als Corona Hochrisikogebiet, und die Fallzahlen auf Mallorca stiegen und stiegen. Die deutsche Politik beäugte die deutsche Reiselust von Anfang an skeptisch, und nach Bildern feiernder Deutscher auf der Schinkenstraße wurde ebendiese von der Balearenregierung schnell dichtgemacht.
Als dann in Deutschland während der Sommerferien die Infektionen wieder stärker anstiegen, waren schnell die Schuldigen ausgemacht. Aus dem vorher vielleicht noch etwas belächelten Mallorcaurlauber wurde spätestens nach der Reisewarnung für die Balearen das personifizierte Böse. Luzifer in Badehosen sozusagen, der Superspreader vom Ballermann.
Aber was sollte ich machen? Der Abgabetermin für „Kap des Todes“ rückte immer näher, und nachdem schon im März die Recherchereise aus bekannten Gründen flachgefallen war, blieb mir nur noch wenig Zeit, die fehlenden atmosphärischen Elemente zu ergänzen. Wer möchte seinen Lesern schon Beschreibungen zumuten, deren Grundlage Google-Streetview war? Ich sicher nicht.
Und so begab ich mich – nicht ohne ein bisschen Bauchgrummeln, aber doch freiwillig und, nun ja, ein wenig badisch-rebellisch in „Lebensgefahr“.
Was ich dann aber in der Horrorzone der Pandemiepaniker erlebte, war etwas ganz anders, als ich seit Wochen und Monaten sugeriert bekommen hatte.
Schon die Einreise funktionierte nur mit QR-Code der spanischen Regierung. Während in der Heimat die Quarantäne für Reiserückkehrer aus Risikogebieten ein ums andere Mal verschoben wurde, weil man es nicht schaffte, digitale Aussteigekarten zu programmieren, wusste Spanien, bei allen Defiziten im Gesundheitssystem des Landes, schon längst, wer wie ins Land gekommen war und neben welcher Virenschleuder er in welchem Flugzeug gesessen hatte.
Dann die Ankunft im Hotel. Obwohl man sich seit Jahren kennt, gab es keine Umarmungen und Küsschen, nur angedeutet aus fünf Meter Entfernung. Dafür aber Masken in allen Innenräumen, Handschuhe, Desinfektionsmittel und abgepacktes Besteck beim Frühstück. Überall wurde peinlichst genau auf Abstände und Sauberkeit geachtet.
Auf den Straßen das gleiche Bild. Fast jeder hielt sich an die allgmeine Maskenpflicht – auch bei über 30 Grad. Kein Meckern, kein Jammern, keine Aluhüte. Einfach nur eine vernünftige Disziplin in einem Land, das aus leidvoller Erfahrung weiß was Corona anrichten kann und von der sich, und ich dachte wirklich nicht, dass ich diesen Satz jemals sagen würde, so mancher Deutscher eine Scheibe abschneiden könnte.
Und tatsächlich, als ich auf Mallorca war, gingen die Fallzahlen dort deutlich zurück, während ich nach vier Wochen aus einem „Gerade-noch-Risikogebiet“ in ein „Nun-doch-Risikogebiet“, also Deutschland, zurückflog. Mein Test am Flughafen war übrigens, und das hatte ich auch nicht anders erwartet, negativ.
Also, zurück zum Anfang: Die Recherchen für einen Mallorca Krimi führen mich gelegentlich an recht unappetitliche Orte. Das gruseligste aber war, nach meiner Rückkehr aus Spanien ein deutscher Supermarkt mit Maskenverweigerern, Abstandsphobikern und „In-den-Nacken-atmenden“-Mitmenschen an der Kasse.
Bis heute besteht eine Reisewarnung für Mallorca. Die gesamte Tourismusbranche dort kämpft ums Überleben, wie die kommenden Monate für die vielen Angestellten werden, die sich normalerweise in den Sommermonaten ihr Auskommen für die Wintermonate verdienen, möchte ich mir gar nicht erst ausmalen.
Das sture Festhalten an Inzidenzwerten, pauschale Reisewarnungen für Regionen, ohne Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten (in Palma beispielsweise waren nur einzelne Stadtviertel stark betroffen, die die Balearenregierung von sich aus abgeriegelt hat) und die fast schon dämonisierende Verurteilung von Reiserückkehreren führt dazu, dass auf den Balearen und in anderen Regionen Spaniens und der Welt eine wirtschaftliche und humanitäre Katastrophe abzuzeichen droht, die ihres Gleichen sucht, während hierzulande die Inzidenzwerte inzwischen deutlich höher liegen als dort – was für eine Ironie.
Ein bisschen mehr Augenmaß seitens der ach so europaorientierten Bundesregierung und weniger nationaler Egoismus in Hinblick auf die Mitgliedsstaaten, gepaart mit erwachsener Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Reisenden wäre endlich einmal angebracht – wir sitzen alle in einem Boot.
Also, pssst, verratet es keinem, ich war auf Mallorca – und ich hab mich dort sicherer gefühlt als hier im Moment…..
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