Langsam tastet sich der gemietete Kleinwagen an die Ausfahrt der engen Verbindungsstraße zwischen Puigpunyent und Esporles heran. Am Steuer meine Frau und ich etwas verwundert daneben. Sehe ich da kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn?
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Ok, ich weiß, dass sie diese Strecke nicht mag, und das ist noch untertrieben. Sooft es geht umfährt sie die schmale Straße mit ihren Kurven über Abhängen und den eng an den Asphalt gebauten Grundstücksmauern, die zwei Autos nebeneinander kaum Raum Platz lassen. Aber hier, kurz nach dem Parkplatz von La Granja, hat sich die Strecke zu einer gut ausgebauten Ausfahrt auf die Ma-1100 verbreitert.
„Ist alles in Ordnung“?, frage ich besorgt. Ja, ich muss nur immer an den schweren Unfall mit der Radfahrerin und dem LKW denken, wenn ich hier vorbeifahre.
Ich stutze und fange an zu lachen. „Dir ist schon klar, dass das in die „Toten von Mallorca“ passiert ist – sie grinst und antwortet: „Ja, aber Du hast es so bildlich beschrieben, dass ich diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekomme.“
Szenen einer Ehe zwischen Realität und Fiktion. Wir oft gehen wir durch die Straßen von Palma, sehen einen Polizisten der Policía Nacional und fragen uns, ob das „Pau Ribera“ ist. Ein Foto zu einem Zeitungsartikel über die Verhaftung von fünf Deutschen an der Playa de Palma zeigte einmal eindeutig Christina Blum. Am Cap Blanc liegen nach der Recherche für „Kap des Todes“ in unserer Vorstellung mehr Autowracks, als die Steilküste ohnehin schon zu bieten hat.
Hinzu kommt das völlig verzerrte Bild der Urlaubsinsel, das man bei den Recherchen in Armutsvierteln und Gewerbegebieten bekommt – oder ist das vielleicht ein bisschen näher an der Realität der mediterranen Scheinwelt dran?
Etwas gewöhnungsbedürftig findet meine Frau übrigens meine Affinität zu Kläranlagen, die sich während der Vorbereitungen zu meinem neuen Roman „Die Toten von Mallorca“ entwickelt hat. In meiner Vorstellung scheint ganze Insel mit diesen faulig müffelnden Wasseraufbereitungsstätten übersäht zu sein. Und hier bin ich mir sicher, dass es sich angesichts der Problematik, dass immer wieder ungeklärte Abwässer aus übervollen Anlagen ins Meer gelangen um ein reines Fokusproblem meinerseits handelt. Ich erinnere mich nicht, vor wie vielen kleinen und großen Kläranlagen meine Frau im Auto auf mich gewartet hat, während ich mit Stift und Block bewaffnet meine Nase durch jedes Loch im Zaun gesteckt habe. Damit, dass sie sich jetzt jedes Mal, wenn wir an einer Kläranlage mit ihrem typischen Geruch vorbeifahren, ein „Depuradora – der neue Duft von Klaus Späne“ nicht verkneifen kann, muss ich nach diesem Buch wohl leben.
So hinterlässt jedes Buch seine Spuren in der mentalen Landkarte Mallorcas, und heraus kommt eine wilde Mischung aus Fiktion und Realität, die für mich als Autoren und meine leidgeprüften Begleiter nicht immer auseinanderzuhalten ist.
Und als meine Frau nun im Schneckentempo nach links auf die breite Straße Richtung Valldemossa einbiegt, kommt uns, ein gutes Stück auf unserer Seite, der LKW eines örtlichen Wasserversorgers entgegen. Meine Frau schaut mich an und fragt: „Wir haben jetzt aber nicht gerade eine Radfahrerin überholt, oder?“
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